Quergang
Luftiger Quergang im unteren Teil der Route. Kaum zu glauben aber es ist wirklich nur ein IVer.
Quergang
Perspektivenwechsel im Quergang.
Crux
Blick zurück in der Schlüsselseillänge: Tolle Riss- und Verschneidungskletterei in festem, gut abgesichertem Fels.
Koschutnikturm Gipfel
Ob sich Jenny nach ihrer Erstbegehung wohl auch so gefreut hat?
ÖTK Klettersteig
Abstieg über den ÖTK-Klettersteig: Als Highlight eine wackelige Hängebrücke bei welcher man gerne beide Hände nimmt.

Jennyriss (V+)

Koschutnikturm (Koschutka)

Wer kennt sie nicht, die Grohmanns, die Dibonas, die Dülfers, die Comicis, die Bonattis? Männer mit ein und der selben Leidenschaft: Die Berge. Lässt man sich diese Crème de la Crème des alpinen Bergsports auf der Zunge zergehen, drängt sich unweigerlich eine Frage auf: Wo sind die Frauen?

Der ein oder andere Leser wird mir widersprechen und sagen es gibt eine Lynn Hill, oder eine Gerlinde Kaltenbrunner. Vergiss nicht Ines Papert, Catherine Destivelle, oder Tamara Lunger! Wohl wahr, auch sie wollen wir nicht vergessen, jedoch könnten alle die Großenkel, Enkel, oder Töchter der genannten Männer sein. Was war also los mit den Frauen in der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts?

Der historisch affine Bergsteiger wird nun mit einigen Namen aufhorchen lassen: Elizabeth Main, Maud Wundt, und Paula Wiesinger! Die meisten werden diese Namen eben zum ersten Mal gehört haben. Aber, es zeigt zumindest eines: Frauen am Berg gab es auch damals, nur agierten sie oft "unsichtbar". Der damalige Stand der Frau in der Gesellschaft, hat ebenso den Alpinismus infiziert. Nur wenige brachen die gesellschaftlichen Fesseln und schlossen sich dem damals von Männern dominierten Alpenverein an. Der verbreitete Spruch Die Frau des Bergsteigers Tod spricht Bände. Einen Meilenstein der Auflehnung gegen das alteingesessene System, eine Erinnerung an die Frau am Berg schuf die Klagenfurterin Jenny Reßmann. Als eine der wenigen extremen Klettererinnen der 30er Jahre eroberte sie zusammen mit Viktor Pretterebner den Koschutnikturm über eine neue Führe: den Jennyriss. Heute wird diese Tour mit V+ bewertet. In einer Zeit, in welcher Touren im VI. Grad eine absolute Rarität waren, eine außergewöhnliche Leistung.

Wir haben uns auf ihre Spuren begeben und sind ihre Linie, die mittlerweile mit etlichen Bohrhaken entschärft wurde, nachgeklettert.

Zustieg: Das Auto parkend beim Koschutahaus (46.451921, 14.387343) und nachdem die 5€ Maut beim Hüttenwirt beglichen sind, machen wir uns auf den Weg. Es ist zwar Ende Mai, aber kühl und grau. Riecht nach einer "Winterbegehung" in der Nordwand. Ein markierter Wanderweg führt in Richtung des bereits ersichtlichen Koschutnikturmes. Der Beschriftung "ÖTK" (für den Klettersteig) stets folgend, gelangt man in unmittelbare Nähe des Turms. Man verlässt den markierten Weg nach links über einen kleinen Pfad und gelangt über Steigspuren im Schotter direkt zur Wand. Der Einstieg ist mittels den Buchstaben UQ (unterer Quergang) markiert. Vom Parkplatz können bis zu 1.5h eingeplant werden. Schnell die lange Unterhose, Pullover und Daunenjacke anziehen und dann kann es mit der Kletterei auch schon los gehen.

Routenverlauf: Die Route verläuft zunächst in einer langen Seillänge leicht linkshaltend in schrofigem Gelände. Beim Stand in einer kleinen Aushöhlung offenbart sich der Blick nach links in den luftigen Quergang. Das soll IV- sein? Etwas ungläubig machen wir uns auf den Weg - und tatsächlich schwerer ist es nicht. Große Griffe und perfekte Absicherung erlauben ein entspanntes Klettern, sofern man die viele Luft unter den Sohlen ignorieren kann. Kurz nach dem Quergang wartet auch schon das Wandbuch. Eine etwas verfrühte Belohnung. Wartet doch noch der anstrengende Teil auf uns. Nach einer langen Seillänge in grasig-schrofigem Gelände steht man am unübersehbaren Beginn des Jennyrisses. Freude kommt auf! Allerdings nicht über die Kletterschuhe: bis hierher sind wir ob der Kälte mit den Zustiegsschuhen geklettert. Der glatt wirkende Fels des Risses "motiviert" uns nun doch die gefrorenen Kletterpatschen anzuziehen. Die erste Seillänge im Riss ist sogleich auch die Schlüsselstelle der Tour. Gut mit Bohrhaken und dem ein oder anderen Normalhaken abgesichert, spart man sich das Setzen (und übrigens auch das Mitbringen) von mobilen Sicherungsmitteln. Etwas Rissklettern sollte jedoch geübt sein, ansonsten wird der ein oder andere über diese V+ schimpfen. Die zweite Seillänge des Risses ist an konstanter Kletterei kaum zu überbieten. Der bombenfeste Fels der ersten Risslänge setzt sich fort. Lediglich beim Hinausqueren nach rechts am Ende des Risses trifft man auf den ein oder anderen losen Stein. Ein paar Schneeflocken wirbeln durch die Luft und erinnern an die Kälte. Die anhaltenden Längen haben zum Glück etwas eingeheizt. Da nun die Schwierigkeiten bewältigt sind, sind sogleich wieder die warmen Zustiegsschuhe an der Reihe. Hmmm, irgendwie waren die vorher wärmer. Dem Grat in einigen langen Seillängen folgend (Haken lang einhängen um Seilreibung zu vermeiden), gelangt man schnell zum Gipfel und kann den tollen Ausblick gen Süden und Norden bestaunen.

Abstieg: Der Abtieg erfolgt unkompliziert über den markierten ÖTK Klettersteig. Vom Gipfel zunächst nach Westen in die Scharte absteigen und dann Richtung Norden dem beginnenden Drahtseil folgen. Das Highlight des nicht besonders schweren Klettersteiges (B) bildet die Hängebrücke auf halben Weg. Am Ende des Klettersteiges erfolgen ein paar große Schritte in einer der feinen Schotterriesen und man ist zurück am Aufstiegsweg, welchem man zurück zum Koschutahaus folgt.

Fazit: Lohnende, wenngleich auch etwas kurze Kletterei in meist festem Fels: die zwei Risslängen sind bombenfest, das Zwischengelände erfordert etwas Vorsicht. Beste Absicherung mit Bohr- und Normalhaken. Mitnahme von mobilen Sicherungsmitteln ist nicht notwendig. Alle Stände sind mit mindestens zwei Bohrhaken ausgestattet. Dennoch ist die Kletterei zwingend und anhaltend - der Vorsteiger sollte den Grad beherrschen. Ein Topo findet sich auf bergsteigen, wobei die einfacheren Seillängen bei Bedarf zusammengelegt werden können. Auf Grund der historischen Bedeutung und der tollen Aussicht eine Tour die man vielleicht nicht gemacht haben muss, aber durchaus gemacht haben darf!