60plus – Eine „Neutour“ aus der Feder, oder besser gesagt den Kletterschlapfen, von der wohl am bekanntesten und am bedeutendsten Seilschaft im Gesäuse: Klaus Hoi und Hugo Stelzig. Unzählige Erstbegehungen, darunter der legendäre Buhlweg 1963 und die Komplizierte 1977, beide am Dachl, gehen auf das Konto der beiden. Durch letztere wurde im Gesäuse der VII. Grad eröffnet, ähnlich bedeutsam wie seiner Zeit Reinhold Messner`s Begehung des Mittelpfeilers am Kreuzkofel (1968) in den Dolomiten, welche die bereits laufende Diskussion bezüglich der Erweiterung der damals bis VI+ reichenden Kletterskala weiter anfeuerte. Allerdings sollte es noch bis ins Jahr 1977 dauern bis die erste offizielle Route im VII. Grad in den Alpen eröffnet wurde: die Pumprisse am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser, nur gut zwei Monate vor der Eröffnung der Komplizierten geklettert. Ein Jahr später war es endlich soweit: die UIAA Skala wurde erweitert.
31 Jahre nach der Komplizierten, im August 2008, eröffnen Hoi und Stelzig, zusammen mit Sitzmann die Route 60plus in unmittelbarer Nachbarschaft zur Komplizierten. Der Route, deren Namensgebung angelehnt an das Alter der Gesäusepioniere ist, startet am tiefsten Punkt der Rosskuppenkante und nützt so die gesamte Wandhöhe (ca. 550hm) aus. Einige Seillängen befinden sich konstant im oberen VI. Schwierigkeitsgrad, weshalb dieser sicher beherrscht werden sollte und auch effizient geklettert werden muss, gilt es doch 17 Seillängen zu überwinden. Die Schlüsselstelle, kann gut A0 bzw. A1 überwunden werden und schmiegt sich somit perfekt an die Schwierigkeiten der übrigen Seillängen an. Um wohl möglichst homogene Schwierigkeiten zu erreichen wirkt die Tour im ersten Teil etwas gesucht. Spätestens nach der Schlüsselseillänge begeistert die Tour neben anhaltender Kletterei in meist bestem Fels auch mit einer durchaus logischen Linienführung. Verhauer sind kaum möglich, muss man doch „nur“ den Bohrhaken folgen. Wie schon im Plattensprint an der Planspitze gibt es auch hier an den Ständen nur einen Bohrhaken: die restliche Tour ist recht üppig abgesichert – meiner Meinung nach „Sparen“ an der falschen Stelle. Cams können ruhigen Gewissens zu Hause bleiben. Landschaftlich begeistern Blicke in die unmittelbar angrenzende Dachl-Nordwand, wo uns etliche Touren verlockend am Silbertablett präsentiert werden. Was darf es als nächstes sein? Vielleicht eine weitere Hoi/Stelzig Produktion?
Zustieg: Vom Parkplatz der Haindlkarhütte (47.583699, 14.612095), folgt man dem Steig bis kurz vor der Hütte. Hier kann man ein paar Minuten einsparen, indem man dem Bachbett folgt und in weiterer Folge den von der Hütte startenden Peternpfad erreicht. Diesen folgt man bis zum Beginn der Rosskuppenkante. Etwa 15m vom Peternpfad entfernt, auf der rechten Seite beginnt die Tour. Bei genauerem Hinsehen kann man einige Meter über dem Boden den ersten Bohrhaken erspähen (2h vom Parkplatz). Um die Tour etwas zu verkürzen, kann auf der Hütte übernachtet werden. Der Zustieg halbiert sich somit.
Routenverlauf: Anfangs über graue Platten in gerader Linie nach oben bis zum Zusammentreffen mit der klassischen Rosskuppenkante. Nach einer gemeinsamen Seillänge quert man über einen breiten Riss unter einem Dach bis in eine überhängende Verschneidung (Schlüsselstelle). Anschließend folgen zwei anhaltende anstrengende Seillängen in Rissen und Kaminen. Nach der 13. Seillänge sind die Hauptschwierigkeiten überstanden. Dennoch gilt es einige Meter im größtenteils IV. Grad zu spulen. Ein Topo findet sich in der aktuellen Ausgabe des Xeis Auslese Führers oder ein von mir erstelltes unter diesem Link.
Abstieg: Nach dem Ausstieg folgt man dem gut sichtbaren Steig Richtung Planspitze. Wir überschreiten die Rosskuppe um dann beim gut sichtbaren Wegweiser auf den Peternpfad abzuzweigen (I-II). Diesem folgen wir bis zur Haindlkarhütte und weiter bis zum Parkplatz. Für den Abtieg sollten 2.5-3h eingeplant werden.
Fazit: Beste Werbung für weitere Touren im Gesäuse. Top Absicherung in wildem, alpinen Ambiente. Durch die Länge (17 Seillängen), aber auch durch den mühsamen Zu- und Abstieg, ist die Tour auch für Kletterer 60minus eine Herausforderung.