Klettert im Frühjahr die Quecksilbersäule im Thermometer, so mag der ein oder andere schon vom Radfahren, Wandern, oder Klettern träumen. Für den Skitourengeher wird es langsam Zeit die Schuhe mit dem Gartenschlauch abzuspritzen, die Skier für die Konservierung vorzubereiten und mit einem wehmütigen Seufzer die Batterien aus dem Pieps zu nehmen. Eine besondere Spezies kommt nun aber erst so richtig in Schwung. Ähnlich dem Murmeltier, welches nach einem langen Winterschlaf den Bau verlässt, so wird diese Spezies erst jetzt richtig aktiv und macht sich bereits früh am Morgen, meist noch im Dunklen auf den Weg. Aus Magel an Artgenossen meist allein oder zu zweit (wer tut sich sowas auch freiwillig an?) kommt es, wenn überhaupt, nur auf einigen ausgewählten, meist höher gelegenen Parkplätzen zu kleineren Ansammlungen. Diese verlaufen sich aber meist noch im Schein der Stirnlampe. Jedoch haben alle das selbe Ziel. Schmierig wie das Butterbrot am Morgen und noch um Längen besser: perfekter Firn! Mittlerweile sollte es klar sein um wen es geht: die Firnjäger.

Zum Standardrepertoire eines Firnjägers zählen ordentliche Ski (keine neumodernen Powderlatten), Harscheisen und für eine besonders steile Jagd Steigeisen und Pickel. Doch wo sucht man am besten? Man nehme einen warmen Tag, einen steilen Hang und Sonne, Sonne und nochmal Sonne.

Ein wahres Prachtexemplar findet man an den Hängen des Hochturms (2081 m), die höchte Erhebung des Gebirgsstockes Trenchtling in der südwestlichen Hochschwabgruppe. Startend vom Präbichl begiebt man sich in Richtung Lamingsattel. Vorbei an der Materialseilbahn der Leobnerhütte, verlässt man über die schönen Südhänge unterhalb der Griesmauer die Skitourenautobahn Richtung TAC-Spitze. Nach ein paar steilen Spitzkehren erreicht man auch schon den Sattel.

Blick vom Lamingsattel: der weitere Weg führt rechts des Grates entlang.

Von dort mehr oder weniger dem Sommerweg folgend, erreicht man in Kürze die weite, nach Süden ausgerichtete Hochfläche des Wildfelds, ein kaum auffallender Gipfel des Gebirgsstockes. Den Gipfel des Hochturms schon vor Augen, gilt es je nach Schneelage einen etwas höher oder tiefer verlaufenden Weg zum felsigen Gipfelaufbaus zu finden. Eine grobe Orientierung stellt der Sommerweg dar. Wer über den Grat geht, muss für die ein oder andere Kraxlpassage die Hände aus dem Hosensack nehmen. Am Felsaufschwung angelangt gibt es mehrere sehr kurze Rinnen die nach oben führen. Hier können Steigeisen und Pickel von Vorteil sein. Nach dem Aufschwung folgt noch ein kurzes Ab und Auf - und schon steht man am Gipfel. Ein Toller Ausblick erstreckt sich Richtung Hochschwab, Triebener Tauern, Eisenerzer Reichenstein, Gesäuse, Grimming und sogar zum Dachstein.

Blick zum zentralen Hochschwabmassiv: unverkennbar der Ebenstein.

Der gedulige Jäger setzt sich hin, genießt sein Jausenbrot und wartet nun. Er wartet auf den passenden Moment. Dieser wird kommen, mit Sicherheit. Mit dem Wissen der Hangneigung und den Beobachtungen während dem Aufstieg ergibt sich der perfete Moment: der Jäger macht sich bereit zur Abfahrt. Auch hier bieten sich viele Möglichkeiten. Die Entscheidung fällt für die Direkte Gipfelrinne. Der erste Schwung sitzt, der zweite folgt sogleich.

Premiumfirn bei der Abfahrt über die Direkte Gipfelrinne vom Hochturm.

Ein breites Grinsen macht sich auf dem Mund des Jägers breit und er weiß, dass er alles richtig gemacht hat. Weitere Schwünge folgen in gleichbleibender Steilheit, wohl um die 35°. Bei jedem Stopp kommt die neue Gewissheit: das war mit Abstand das beste Stück!

Hochturm vom oberen Teil des Rötzgraben aus. Der Aufstieg über die Steilstufe sowie die gewählte Rinne sind vermerkt.

600 Höhenmeter später, am Bach des Rötzgrabens angekommen, mit reichlich Beute im Gepäck wird wieder aufgefellt. Unter Strom(masten) geht es in Richtung Leobner Mauer (1870 m). Die Sonne strahlt und strahlt und strahlt. In mancher Situation würde der Jäger nun in Hast verfallen. Nicht jedoch heute: weiß er doch, die Zeit arbeitet für ihn. Nach dem Aufstieg zum Gipfel der Leobner Mauer kann man nochmal die Szenerie bewundern. Sogar ein paar Bänkchen laden hier zum Sitzen ein. Da sagt man nicht Nein!

Leobner Mauer: Ausblick Richtung Ausgangspunkt am Präbichl.

Eine gemütliche Rast später, mit der Existenz der Masten sich mehr oder weniger abgefunden, orientiert man sich für die Abfahrt am nordöstlich liegenden Strommasten. Etwas höher gilt es Richtung Norden zu queren. Nach ein paar Kurven und ein paar Schlittschuhschritten steht man am Eingang der Trenchtlingrinne. Diese nach SW ausgerichtete Rinne erlebt gerade jetzt ihren McMoment. Eine glückliche Fügung oder das Ergebnis akribischer Planungsarbeit des Jägers? Egal, Schwung auf Schwung geht es bergab. Diesmal leider endgültig. Nach insgesamt 1400 hm ist Schluss. Aber der nächste sonnige Frühlingstag kommt bestimmt.

Die Jagdsaison hat gerade erst begonnen!


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